Seit nahezu einem halben Jahr kurvt unsere 58 311 irgendwo zwischen Mittel- und Ostdeutschland hin und her.
[...ein Bericht von Wolfgang Reber über den 6. April 2019...]
Mit Lokführer und Beschilderung zeigt uns [das] Bild [...] deutlich, dass es sich hier um eine Fahrt in die DDR-Vergangenheit handelt. Allerdings steckt in der Reichsbahnuniform mit M. W. die aktuelle Gegenwart.
Am Vorabend gab es im Bw Gera richtigen Reichsbahnflair mit vier Maschinen. 58 311 im Reichsbahnlook vom Juni 1975 mit den zwei kleinen Blechwimpeln, und wie seinerzeit nur mit zwei Lampen versehen. Das dritte Spitzenlicht wurde der Beflaggung geopfert. Allerdings zierte sie damals auch ein goldener Kaminring (!!), welcher heuer nicht nachgestellt wurde.
Auf [diesem] Bild [...] öffnet 35 1074 soeben den Regler um auf die Drehscheibe zu fahren… ist natürlich ein Fake, der Dampf stammt von der ältesten Maschine auf dem Bild, die Jungen sind alle nicht betriebsfähig und teilweise unvollständig.
Die Anfahrt auf die Drehscheibe in [diesem] Bild [...] zeigt uns die wirklich sehr schönen Lokschilder, die die G12 trug. Im Gegensatz zu so mancher Reichsbahn-Nostalgiefahrt der Vergangenheit, in welcher irgendwelche gepinselten Schilder an der Lok hingen, nur dass da dann „1111“ drauf steht, hat hier der Veranstalter keine Kosten und Mühen gescheut und der Lok einen tollen Schildersatz mit erhabenen Ziffern spendiert. So ist auch eine Computernummer wie „58 1111-2“ dem Wert der Lok angemessen und vermittelt nicht das Dampflok-Endzeitgefühl, dass sich hier noch nicht verzichtbarer Schrott seinem Ende entgegen quält. Die Führerhausseitenwände zieren, außer der Reichsbahnbeschilderung, die extra gegossenen Beheimatungsnachweise „RBD Erfurt – Bw Gera“. An dieser Stelle ausdrücklich ein Lob an den Veranstalter.
58 1111-2 des Bw Gera der Deutschen Reichsbahn wendet auf der Drehscheibe des Heimat-Bw´s. Sogar die weißen Lampeninlays wurden gegen schwarze Lampenringe getauscht. Kompliment.
Noch einmal einen Überblick über das „Historische Bahnbetriebswerk“ und seine Lokomotiven zeigt uns das Bild [...]. Das Bw wirkt etwas „steril“, aber es ist vorhanden. Schade, dass es 1976/77 auf den Gebieten der ehemaligen Deutschen Bundesbahn nahezu keinen aktiven Denkmalschutz gab und alle nicht mehr benötigten Gebäude und Bauwerke sofort dem Erdboden gleich gemacht wurden. Schließlich galt es das verhängte Dampflokverbot entsprechend zu untermauern. So mancher westlich beheimatete Traditionsverein würde einiges dafür geben, wenn er statt bei Regen im Schotter unter der Lokomotive liegend, in einem ordentlich überdachten Kanal arbeiten könnte.
Reichsbahn Plandampf par excellence! Wie er wirklich war! Wie oft krochen wir bei eiskalter, klarer Luft auf den Höhen des Erzgebirges, Thüringer Wald oder sonst wo frühmorgens aus den Betten und preschten in freudiger Erwartung an die verschiedensten Bahnstrecken – und wie oft schälte sich dann ein schwarzer Klotz aus dem Nebel, ein kurzes Donnern, das war´s dann. Von meinem heimatlichen Schwarzwald her, waren mir derartig viele „Nebelstrecken“ nicht geläufig. Die Aufnahme zeigt den „Reichsbahngüterzug“ bei der Durchfahrt durch Crossen a.d.Elster. Vorteil: Man sieht weder die Graffiti verschmierten Wände der zerfallenden Bahnhofsgebäude noch der abgestellten, ehemals verkehrsroten Personenwagen des durchgehend modernisierten Bahnhofs.
Rund 40 Minuten später und knapp 60 Meter hinzugekommene Meereshöhe erweitern bereits etwas die Sichtverhältnisse. Hinzu kommt, dass es nach der normalen Sonnenzeit erst kurz nach sieben war. Bei der Ausfahrt aus Haynsberg zeigt 58 311 immerhin ein Stück weit ihren Güterzug.
Das Durchführen eines Sonderzuges, dann auch noch mit einer Dampflokomotive, dann auch noch Hin- und Herfahren einfach für Fotozwecke – es wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Eine endlose Zahl kleiner Zahnrädchen muss extra gefertigt werden und ineinander greifen, dass ein solcher Zug zum Laufen kommt. Oftmals tritt an einem Zahnrad ein unvorhersehbarer Schaden ein oder es kommt auf andere Weise und somit der ganzer Fahrplan, schlimmstenfalls Unternehmen, ins Trudeln. Die zweite Fahrt auf der Elstertalbahn nach Zeitz erfolgte mit erheblicher Verspätung. Ursache: Der Wasserturm in Gera wird nicht mehr betrieben, der zugehörige Kran hängt mittels Schlauchverbindung und Pumpe an einem ehemaligen Feuerlöschteich. Vielleicht hat sich die Pumpe an einem Frosch verschluckt, sie fiel aus und mit ihr der Wasserkran und schon gab es Probleme, welche die komplette Veranstaltung ins Straucheln brachte. Auch hier gilt es wieder Veranstalter, Helfer und Personale zu loben. Ein teilweise improvisiertes und notwendigerweise abgeändertes Programm war weiterhin begeisternd und brachte sicherlich alle auf ihre Kosten bzw. sonnige Bilder, wie hier, als uns 58 1111-2 bei Schkauditz und Kilometer 54.2 in Fahrtrichtung Gera entgegen kommt.
Wetterzeube macht seinem Namen alle Ehre und den morgendlichen Nebel vergessen. Sehr schön macht sich der von der Pressnitztalbahn gestellte Güterzug.
Nur ein paar Meter weiter gibt es jetzt statt Nebel Sonnenschein und weiße Frühlingsblüten.
Trotz Reichsbahnschilder 58 1111-2, tollem Güterzug und immer noch ansehnlicher Strecke, ist die Vergangenheit nicht zurückzuholen. Als wir das letzte Mal an den Salsitzer Hopfenfelder hinter Zeitz standen, gab es dort keine Sonnenpaneele, Strom-Windmühlen, andere Autos…. und es donnerte die 41 1130-8 mit „gefülltem“ Güterzug vorbei.
Im April gibt es (noch) keinen Hopfen und dementsprechend rollt 58 311 an den kahlen Feldern entlang, ihrer nächsten Kreuzung in Haynsberg entgegen.
Wenn man den Güterzug heutzutage mit Industriebauten fotografieren will, muss man sich schon mächtig ins Zeug legen. Entlang einer holzverarbeitenden Fabrik mit ihrem Spanturm im Hintergrund, ist es in der Bäderstadt Köstritz, unweit Gera, gelungen. Ende der 70er Jahre kreuzten hier 01.5 bespannte Eilzüge. Im Schlepp der 01 508 hatte ich das Glück, dass mir hier die „517“ entgegen kam, neben der 01 505 damals die einzige mit spitzer Rauchkammertür.
Nachdem morgens die Schiene gen Norden befahren wurde, geht es nach Mittagspause und Personalwechsel in Richtung Saalfeld nach Süden. Endstation ist der Bahnhof Könitz, unweit Unterwellenborn – und wieder dringen die alten Erinnerungen an 44er, RekoG12 und 41er an die Oberfläche….[dieses] Bild [...] zeigt uns, kurz nach der Abfahrt, die anschließende Durchfahrt durch Gera Hbf, dessen wunderschöne Bahnhofshalle im Rahmen einer Ortsversetzung Anfang der 2000er Jahre wieder für den umgestalteten Hauptbahnhof verwendet wurde.
Im Bild [...] fährt 58 1111-2 hinter Weida an einem Rapsfeld entlang Neustadt entgegen. Auch hier steht keine alte Wellblechbude mit innenstehendem BASA-Fernsprechapparat mehr neben dem Gleis – aber immerhin ist noch ein „F“ (..ernsprecher) und kein „H“ (…andy) auf dem Kasten.
Triptis, wer unserer Generation war nicht bei den Saalfeld-Pilgern im Damplfok-Mekka und diesem magischen, ehemaligen, Kreuzungsbahnhof? Mit den schweren 01.5-Ölern nach Leipzig über Gera; 79/80 kam die Ölkrise und plötzlich mussten Altbau-01 114 bis 204 diese Leistungen bringen, unterstützt durch drei Kohlemaschinen 01 511, 512 und 518; für die DDR eine Katastrophe, für uns Eisenbahnfuzzis die Sensation – die noch größere Sensation machen die ULMER EISENBAHNFREUNDE möglich. 40 Jahre später läuft ein mit einer badischen Länderbahnlok bespannter Güterzug in Triptis ein.
Wenn das Bahnhofsgelände Triptis heute auch nicht mehr viel Schönes zu bieten hat, (beim Abriss vergessener??) Wasserkran und Formsignale (diese teilweise nagelneu!) machen ihn immer noch zu einem fotogenen Ort. 58 311 verlässt Triptis an der südlichen Ausfahrt.
Ortsdurchfahrt Neustadt/Orla. Dieses Foto war in den 70ern nicht möglich. Eine Schnellstraße überquert hier heute die Trasse. Waren es früher die Behörden vor denen man sich in Acht nahm, hat man heute den rasenden Autoverkehr zu fürchten.
Das Bild [...] zeigt deutlich, dass in Gera vor der Abfahrt nochmals Kohle gebunkert wurde. Gefahren wird mit Heizer und Heizerstift. So gibt es augenscheinlich genügend Muße zur Entspannung.
In Könitz Gbf hat 58 311 umgesetzt. Für die Rückfahrt hat man ihr ca. 250 Tonnen an den Haken gehängt, was sie milde mit einem leicht abblasenden Sicherheitsventil Krölpa durchfahrend quittiert. Dieser recht kurze Schuss war für mich ein echtes Muss. Links typischer Thüringer Schiefer, rechts Fachwerk, dazwischen eine alte, angerostete Stahlbrücke UND KEINE GRAFFITIS!
Im Bild [...] rollte die G12 wieder auf Neustadt an der Orla zu.
Pößneck oberer Bahnhof: Von Saalfeld bis hierher brauchte die 01.5 ca. 25 Minuten und musste hier grundsätzlich halten. Nicht so unsere G12. Mit einem für die Last tollem Auspuffgeräusch, donnert sie haltlos durch den mit Formsignalen bestückten Bahnhof in Richtung Könitz.
Und wieder die Rückleistung über Triptis. Nun bereits mit verschwindendem Licht und tendervoraus, aber aufgrund Stellwerk, Wasserkran und Formsignalen durchaus fotogen.
Auch die nördliche Bahnhofsausfahrt hat Formsignale. Zum Restaurieren fährt 58 311 auf das amputierte Streckengleis (ursprünglich über Ziegenrück nach Lobenstein), was Rangier- und Umsetzmanöver erforderte. Dieses ist heute noch von Norden her erreichbar. Im Süden steht ein Prellbock – dann folgt Schotter. Triptis ist nur noch eine Durchgangsstation.
58 311 rückt auf das beschriebene Gleis ein. Im Hintergrund parkt ihr Güterzug.
Lassen wir abschließend das Personal noch zu Ehren kommen. Wichtig, dass der Heizer bei seiner Arbeit noch was zu lachen hat. Durch das Triebwerk hindurch, Heizer C. R. beim Abschmieren.
M. S. und C. R. an Ölkanne und Ölspritze. Gleichzeitig ergänzt die Feuerwehr die Wasservorräte. Nach Fertigstellung setzt sich 58 311 wieder vor ihren Zug und fährt tendervoraus über Niederpöllnitz und Weida nach Gera. Dort sind noch einige Wagen zu rangieren, beizustellen und den Zug für seine weitere Fahrt nächsten Tags abzustellen.
Natürlich erfolgen alle Arbeiten unter der Aufsicht des Lokführers M. W. Gegen 22.00 rückt die G12 in das Bw Gera ein. Speziell bei den nächtlichen Arbeiten an und unter der Lok, zeigt es sich wieder, wie kommod es ist mit Grube und Dach über dem Kopf zu arbeiten. Fertig nachbearbeitet und wieder vorbereitet für den morgendlichen Einsatz geht die Lok an den Kohlebansen. Mittels maschineller Unterstützung ist der Tender ruckzuck voll. Nur das Wasser: Vom Feuerlöschteich wurden Schläuche die Gleise hoch gelegt. 58 311 verbringt die Nacht am Schlauch vorm Löschteich, hoffentlich hält die Pumpe, hoffentlich geht mit dem Wasser morgen alles gut. Um 0.30 Uhr verlassen wir das Bw in Richtung Autobahn und um 4.00 Uhr morgens im Murgtal schleicht der Heizer die Treppen hoch zu seiner Familie……